Friday, May 26, 2006

Regie gegen das Regime

Unverändert hält die Bundesregierung daran fest, dem iranischen Präsidenten während der Fußball-Weltmeisterschaft im Falle eines Besuchs den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, und auch der Weltfußballverband FIFA ist nach wie vor der Ansicht, Sport habe mit Politik nichts zu tun, weshalb ein Ausschluss des Iran vom Turnier nicht in Frage komme. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass beide auf den jeweils anderen verweisen, wenn es um die Zuständigkeit dafür geht, Mahmud Ahmadinedjad (Foto; links: Bayern-Profi Ali Karimi) zum unerwünschten Gast zu erklären und von den Spielen fern zu halten: Der Direktor der FIFA-Rechtsabteilung, Heinz Tännler, war in seinem Antwortschreiben auf den Protestbrief des Simon Wiesenthal Centers der Ansicht, die Entscheidung über eine Einreise des iranischen Präsidenten liege „allein in der Verantwortung der deutschen Regierung“, während man bei dieser die Auffassung vertritt, die WM sei eine Veranstaltung des Weltfußballverbandes, weshalb nur dieser darüber befinden könne, ob Ahmadinedjad willkommen ist oder nicht. Wäre das Ganze nicht so traurig, man könnte sich glatt krümmen vor Lachen über diese Posse.


Doch inzwischen häufen sich auch die Appelle und Aufrufe zu Protestaktionen gegen die Teilnahme des Iran an dem Fußballturnier und einen möglichen Besuch des Irren von Teheran. Unter dem Motto „Nie wieder! Never again!“ mobilisieren beispielsweise etliche Organisationen und Einzelpersonen – darunter Arno Lustiger, Ralph Giordano, Michel Friedman, Henryk M. Broder, Micha Brumlik, Nasrin Amirsedghi, Michael Wolffsohn, Seyran Ates und Hans-Peter Raddatz – zu drei Demonstrationen während der Vorrundenspiele der iranischen Mannschaft in Nürnberg, Frankfurt und Leipzig; die Manifestation am 17. Juni in der Mainstadt ist gleichzeitig eine Kundgebung gegen den für diesen Tag geplanten Aufmarsch von Neonazis für den Holocaustleugner im Präsidentenamt.


Zu diesen Aktivitäten gesellt sich nun ein Offener Brief des Clubs iranisch-europäischer Filmemacher (CIEF), der bereits gegen die Aufführung des iranischen Fußballfilms Offside bei der Berlinale im Februar dieses Jahres scharf protestiert hatte, weil er den Streifen für regimekonforme Propaganda hielt. Das Schreiben ist an die Abgeordneten des Europaparlaments gerichtet, nachdem dort eine Gruppe um das konservative britische Parlamentsmitglied Chris Heaton-Harris die Initiative ergriffen hat und den Versuch unternehmen will, bei FIFA-Präsident Joseph Blatter doch noch den Ausschluss des Iran zu erwirken; der CIEF befürwortet dieses Vorpreschen und ruft die anderen Parlamentarier zur Unterstützung auf. Lizas Welt dokumentiert den Offenen Brief dieser Vereinigung, der bislang noch nicht im Internet abrufbar ist, in Gänze.


Offener Brief


Sehr geehrte Abgeordnete des Europaparlaments,


wir haben erfahren, dass einige Parlamentsmitglieder, u.a. der Kreis um die Herren Christopher Heaton-Harris und Daniel Cohn-Bendit, nach Möglichkeiten suchen, durch bestimmte Maßnahmen seitens ihrer jeweiligen Länder den Iran von dem WM auszuschließen. Wir als Exiliraner wollen in diesem Sinne unsere Solidarität bekunden und Sie auffordern, dieses Ziel bis zum Ausschluss des Iran zu verfolgen. So, wie wir es bereits in der Vergangenheit in einem Brief an Herrn Joseph S. Blatter formuliert haben.


Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass das iranische Regime mit seiner antisemitischen und antiisraelischen Haltung den Frieden in der Welt und im Nahen Osten gefährdet. Die Teheraner Machthaber versuchen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, Israel, ein Mitglied der FIFA, von der Landkarte zu radieren. Einer der Grundsätze der FIFA ist aber die Anerkennung der Rechte ihrer Mitgliedsstaaten. Die Frage ist also, wie man die Mitgliedschaft eines Staates wie des Iran in diesem Verband dulden kann, die Mitgliedschaft eines Staates, der offen und unverhohlen die Vernichtung Israels und die Umsiedlung seiner Bürger in andere Länder fordert.


Obwohl für die FIFA die Trennung von Sport und Politik zu den Grundprinzipien gehört, darf man nicht vergessen, dass es die despotischen Regimes sind, die des öfteren den Sport und die Sportler für ihre Zwecke missbrauchen. Um dem entgegenzutreten, hat Ihr Verband das frühere jugoslawische Regime von der Teilnahme an der Europameisterschaft 1992 ausgeschlossen. Genauso verfuhr sie im Falle des Apartheidregimes in Südafrika, dem bis zur Abschaffung der rassistischen Gesetzgebung eine Mitgliedschaft verwehrt blieb.


Die erfolgreiche Qualifikation der iranischen Nationalmannschaft für die WM ist ein Ergebnis der harten Arbeit der iranischen Fußballer und der unermüdlichen Unterstützung des iranischen Volkes. Trotz wachsender Fußballbegeisterung auch unter Frauen haben diese keinen Zutritt zu den Fußballstadien. Das iranische Regime versucht mit Hilfe seiner Handlanger und Mittelsmänner in den Medien und der Öffentlichkeit, die politische Situation im Iran herunterzuspielen und seine wahren Absichten bezüglich der Vernichtung Israels und des Griffs nach der Atombombe zu vertuschen.


Die Begründung, dass Politik nichts mit Sport zu tun habe, ist unserer Meinung nach in diesem Fall nicht zutreffend. Wir wollen Sie darauf aufmerksam machen, dass es die iranische Regierung ist, die wie jedes andere despotische und faschistische Regime nicht an dieses Prinzip glaubt. Iranischen Medienberichten zufolge hat die Regierung in Teheran vor, im Rahmen üblicher Propagandamaßnahmen die Popularität der iranischen Fußballnationalmannschaft politisch auszunutzen und sie dazu zu bringen, eine symbolische Menschenkette um eine der iranischen Atomanlagen zu bilden.


Wir sind der Überzeugung, dass die Fußball-Weltmeisterschaften, die im Sinne des olympischen Geistes ausgetragen werden, neben dem sportlichen Wettbewerb der Nationen die Solidarität und den Wunsch nach Frieden unter den Völkern symbolisieren. Die Weltgemeinschaft ist Zeuge dafür, dass die iranischen Machthaber seit ihrer Machtergreifung eher ein Hindernis für die Annäherung der Völker gewesen sind und immer nur Hass und Feindschaft propagiert haben. Deshalb bitten wir Sie, den Ernst der Stunde zu erkennen und den Antrag der jeweiligen Parlamentsmitglieder zu unterstützen.


Es gibt kein Wenn und Aber. Das iranische Regime ist ein faschistisches Regime und kann nur durch gemeinsames und konsequentes Handeln zurückgedrängt werden.


Wir bitten Sie, Ihre Meinung und Antwort an die unten genannte Adresse zu senden.


Club iranisch-europäischer Filmemacher
info@cief-berlin.de


Arman Nadjm (Filmemacher und Dramaturg),
Daryosh Shokof (Regisseur und Künstler),
Javad Asadian (Dichter und Schriftsteller)


Mit Unterstützung von :
Niloofar Beyzaie (Theaterautorin und -regisseurin),
Dr. Kambiz Rusta (Politologe),
Dr. Mehdi Rusefid (Menschenrechtler)

Magic Mexico

Der Fußballgott wollte es, dass sich der Iran und Mexiko bei der Weltmeisterschaft in einer Vorrundengruppe wiederfinden. Die Mittelamerikaner dürften dabei für die iranische Auswahl eine ziemlich harte Nuss sein, wenn es am 11. Juni in Nürnberg gegeneinander geht. Und sollte es nicht gelingen, sie zu knacken, könnte das auch andere Gründe haben als rein sportliche:
„Angst macht den Profis die angebliche psychologische Kriegsführung von Gruppengegner Mexiko. Die Iraner glauben, dass mexikanisches Voodoo an den Verletzungen der Bundesligaspieler Ali Karimi (FC Bayern München), Vahid Hashemian (Hannover 96) und Mehdi Mahdavikia (Hamburger SV) in dieser Saison schuld sei. Das Trio gehört zum WM-Kader Irans.“
Hat so ein niedliches Zauberpüppchen also beispielsweise dafür gesorgt, dass sich Bayern-Profi Ali Karimi beim Spiel seines Klubs gegen den Hamburger SV das Syndesmoseband riss? Nicht auszudenken – aber auch nicht auszuschließen:
„‚Die Mexikaner sind Meister der psychologischen Kriegsführung und setzen vielleicht Magie ein’, sagte Ali Pour, der Kulturbeauftragte des iranischen Fußballverbandes (FFI) der iranischen Nachrichtenagentur ISNA.“
Doch dagegen ist, sagen wir, ein Kraut gewachsen. Oder so ähnlich:
„Pour betonte, dass der tiefe religiöse Glaube des Teams bei der WM ‚wie eine uneinnehmbare Festung’ wirken werde.“
Der Glaube als Festung – das ist fast wie ein Brief, der Mauern durchbricht. Manchmal benötigt man dafür aber kleine Hilfsmittel, klärt die Deutsche Presse-Agentur auf:
„In Iran ist Aberglaube allgegenwärtig. Viele Menschen dort haben zum Beispiel Angst vor dem so genannten bösen Blick – und schützen sich dagegen mit einem blauen Stein.“
Den können die iranischen Kicker allerdings nicht mit aufs Feld nehmen, um sich etwa gegen finster dreinschauende Mexikaner zur Wehr zu setzen. Denn da sind die von der FIFA verfügten Fußballregeln vor, in deren viertem Paragrafen („Ausrüstung der Spieler“) es unmissverständlich heißt:
„Ein Spieler darf keine Kleidungsstücke oder Ausrüstungsgegenstände tragen, die für ihn oder einen anderen Spieler gefährlich sind (einschließlich jeder Art von Schmuck).“
Was nun? Möglicherweise hülfe ein Eilantrag an die Fußball-Uno zwecks Erteilung einer Sondererlaubnis, um die Chancengleichheit mit Magic Mexico wiederherzustellen. Bei der FIFA hätte man gewiss ein offenes Ohr für die Sorgen der Lieblingsmannschaft Mahmud Ahmadinedjads.


Dessen ungeachtet wäre es ja gar zu schön, stimmte denn der Unsinn mit dem Voodoo tatsächlich. In diesem Falle müsste man die Mexikaner unbedingt konsultieren, wie der Spaß eigentlich genau funktioniert. Es gäbe da nämlich so einen anderen, nicht spielberechtigten Iraner, der auch mal ganz gut einen Syndesmosebandriss vertragen könnte. Mindestens.

Wednesday, May 24, 2006

Heute Pflichttermin!

ten german bombers - das Video!

Jetzt endlich mal nachgereicht: das viel gefeierte Musikvideo von Torsun/Egotronic feat. Koks & Pillen Berlin




ps. hier gibts die fett gemastertete german bombers mp3



Monday, May 22, 2006

Das größte Nationalteam aller Zeiten

Schöne Aufkleber gibt es bei der Naturfreundejugend Berlin von denen auch folgender Textauszug stammt:

Apokalypse Titelgewinn
Auch Deutschland hat seine ganz spezielle Fußballgeschichte. 1954 in Bern, beim ersten deutschen Endspielsieg, sangen mehrere Tausend Deutsche zum ersten Mal nach 1945 die verbotene Strophe "Deutschland, Deutschland über alles!". Der nationale Mythos der Wiederauferstehung einer geschlagenen Nation wurde 2004 gar verfilmt. 1990 in Italien wiederum bewies der damalige Nationaltrainer Franz Beckenbauer nach dem dritten Titelgewinn ganz spezielles, politisches Gespür: "Jetzt kommen noch 16 Millionen Ostdeutsche dazu. Da sind wir auf 10 Jahre unschlagbar", um später weiterzuprotzen: "Tut uns leid für den Rest der Welt." Sportlich lag er falsch.
Und auch wer die Debatten um die eher schlechten Leistungen der deutschen Mannschaft im Vorfeld der kommenden WM beobachtet hat, kann leicht den Eindruck gewinnen, es ginge um eine finale Entscheidung, an deren Ausgang das Schicksal einer ganzen Nation hinge. Anders kann es kaum gedeutet werden, wenn Bundestrainer Jürgen Klinsmann entgegen jeglicher Realität nicht müde wird zu behaupten, dass Deutschland Weltmeister werden würde - etwas anderes ist nun mal nicht vorstellbar - und wenn selbst Bundestagspolitiker sich im nationalen Auftrag in die Belange des DFB einmischen. Klinsmann, dessen Hauptwohnsitz in den USA liegt, wird dies vor allem nach Niederlagen immer wieder zum Vorwurf gemacht. So attackierte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz den Deutschen Fußball-Bund: "Der DFB hätte sich niemals darauf einlassen dürfen, dass der Bundestrainer ein Mega-Ereignis wie die WM aus Kalifornien betreut." Selbst vor den Sportausschuss des Bundestages sollte Klinsmann geladen werden.

Deutschland einig Fußballland


"Fußball ist nicht nur eine der letzten nationalen Projektionsflächen, sondern auch fester Bestandteil der Populär- und Alltagskultur", heißt es in einem Bericht des Goethe Instituts, welches für die Repräsentation "deutscher Kultur" im Ausland tätig ist. Das Interesse des Instituts am "Volkssport Nr. 1" ergibt sich somit von selbst. Denn spätestens seit dem WM-Sieg 1954 wurde Fußball eine der wichtigsten Projektionsflächen nationaler Identität. Und wenn der deutsche Nationalismus sich ungezwungen bei Auswärtsspielen präsentieren kann, ist das auch ein "Gewinn für das Ansehen Deutschlands in der Welt".Fußball und Gesellschaft stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang, nicht nur weil das Sportereignis im Rahmen der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse stattfindet, sondern auch und gerade weil Fußball Einfluss auf gesellschaftliche Verhältnisse nehmen kann. Als sportliches Ereignis umgibt den Fußball die Sphäre des vermeintlich Unpolitischen. Auf dem Weg ins Stadion können alle politischen Bedenken und Ängste getrost zu Hause gelassen werden und es wundert niemanden, wenn der Fanblock in einem Meer von Deutschlandfahnen versinkt. Denn im Stadion findet der Fan das so lange vermisste deutsche Kollektiv. Alle sind sich endlich wieder einig und unter sich. Und wenn die "deutschen Jungs" unten auf dem Rasen auch noch den erhofften Sieg davontragen, dann kümmert es auch niemanden mehr, wie es außerhalb des Stadions eigentlich aussieht. Denn im Stadion feiern Bundeskanzlerin und das restliche "Volk" gemeinschaftlich ihr Team. Und die Kollektiverfahrung wirkt nach, führt zu einer Zufriedenheit mit den Zuständen und in der Regel dazu, dass die amtierende Bundesregierung wieder gewählt wird.

Fanblock Deutschland

Dass Fußball sich als nationale Projektionsfläche anbietet, kommt nicht von irgendwoher. Hinter der Mannschaft formiert sich ein Fanblock, der sich während des Spiels kontinuierlich von den anderen Fans abgrenzen muss. Ein konstruiertes Kollektiv, das die Zusammengehörigkeit nur durch die eigene Überhöhung und die gleichzeitige Abwertung der "Anderen" rechtfertigt. Was bleibt, ist die dem Spiel immanente Struktur: "Wir" gegen die "Anderen". Wenn der Gegner im Stadion richtig beleidigt werden soll, wird ihm kurzerhand das "Deutschsein" abgesprochen, frei nach der Logik, dass Nicht-Deutsche weniger wert seien. Eine noch schlimmere Schmach lässt sich zufügen, wenn die "Anderen" als "Juden" bezeichnet werden. Der Gegner wird dabei nicht nur aus dem nationalen Kollektiv ausgeschlossen, sondern schlimmer noch zum Feind aller nationalen Kollektive, zum vaterlandslosen Gesellen schlechthin gestempelt. Und wie mit diesen in Deutschland umgegangen wurde, ist zur Genüge bekannt. Rechtsextreme Äußerungen und antisemitische Zuschreibungen gehören seit den Anfangstagen des Fußballs zum Fanalltag. Sei es in der 2. Liga, wo Dynamo Dresden als "Judenverband" beschimpft wurde oder wenn Bayern München aus der "Gemeinschaft der Deutschen" ausgeschlossen wird: "Bayern gehört zu Österreich..."(Hertha Fangesang).

HatTip: endi (Fussballfanexperte mit Weblog)